Einen Abend lang stehe ich als Liftboy vor dem Lastenfahrstuhl. Eine gute Position um das Geschehen zu beobachten. Viele Gesichter/Menschen erinnere ich von meinem letzten Auftritt. Es kommt mir so vor, dass sie wieder in der selben Zeitabfolge auftreten. Die „Szene“ erscheint mir wie ein Dorf, in dem man sich kennt. Ich schaue in die Gesichter. Auf die älteren Menschen beginne ich zu projizieren, meine zu merken, wie ihr Blick auf den Rollstuhl fällt, der zentral auf dem Podest steht. Denken sie, dass sie die nächsten sind, sie eventuell dieses Gefährt bald werden nutzen müssen? Ein Argument, um die Galeristen für meine Idee einzunehmen, sind die älteren Kunden, die ohne Lift und Rampe nicht in die Galerien kommen können. Ich phantasiere weiter in das Publikum hinein. Wer will als Rollstuhlnutzer den Galerienrundgang mitmachen? Ist das nicht ohnehin zu voll oder will man den anderen Dorfbewohnern als Gehende oder Laufender in Erinnerung bleiben? Mir kommen Gedanken an die Vergänglichkeit, Vanitas. Je länger ich nachdenke, desto deutlicher wird „Liftboy“ mitsamt Accessoires zu einer Vanitas-Installation-Admiralitätstraße. Heute möchte niemand transportiert werden, ich habe also Zeit mich in meinen Ideen zu verlieren. Ich werde zum mahnenden, moralisierenden Bestandteil der Installation. Ich bin das vergängliche I-Tüpfelchen auf dem Wort „Galerie“. Von Zeit zu Zeit schauen Freunde und Bekannte vorbei und es gibt ein wenig Plausch. Hin und wieder werde ich gefragt, wieviele Menschen ich denn schon transportiert habe. Meine Antwort: „Keinen – heute geht es ums Prinzip!“. Auf Wikipedia lese ich: „Vanitas-Symbole sollen, meist in moralisierender Absicht, an die Vergänglichkeit des Lebens und der irdischen Güter erinnern.“ Im Kontakt mit den Protagonisten der Fleetinsel, der durch verschiedene Aktionen schon über ein Jahr andauert, komme ich mir immer wieder so vor, dass ich als „moralisierend“ wahrgenommen werde und eine fast unangreifbare Positione einnehme – die aber nervt. Wer will schon sagen, dass es ihm oder ihr sch…egal sei, ob und wie Menschen, die einen Rollstuhl nutzen, in die Galerieräume kommen? Ist vielleicht auch nicht gleich egal, sondern einfach nur nicht so wichtig um sich länger mit dieser Fragestellung zu beschäftigen. Da muss dann ein Fundamentalist kommen. Mein Therapeut meinte, er würde eine unterschwellige Aggression wahrnehmen, die in meinem Vorgehen mitschwingt. Er ist ein schlauer Mann – aber immerhin habe ich etwas zu tun und unausgelebte Aggressionen können auch weniger nützlich zu Tage treten.
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