Das Performance Projekt Liftboy ist auf Dauer angelegt – um das zu verdeutlichen schrieb ich 2022 einen Text, der für die nächsten 11 Jahre Meilensteine phantasierte, die das Projekt durchlaufen möge. Ich benannte den Instagram-Account mit der Jahreszahl, mit dem Ziel einen „blauen Haken“ zu bekommen. Als Bestandteil des Projektes lasse ich gerade mein Auto mit Werbung für Liftboy und den UTE e.V. beschriften und vereinfachte die lange Webadresse des „Aktionsplans“ zu www.liftboy2033.com und einer Weiterleitung. Der Bezug durch die letzten beiden Ziffern zum Jahr der Machtergreifung der Nazis in Deutschland, der für manche Menschen naheliegend ist, wurde nicht intendiert. Das Projekt trägt dieses Makel jetzt in sich. Vielleicht ein guter Bezug, da Menschen mit Behinderung in der Nazizeit systematisch getötet wurden. Liftboy versucht mit den Mitteln der Performance das Bewusstsein für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu schärfen. Ich schreibe diesen Beitrag Ende des Jahres 2025. Die in der Phantasie dargestellten bisherigen Schritte konnten zumeist nicht umgesetzt werden – ist Liftboy gescheitert? Ich sage Nein! Weitermachen!
Liftboy’s Zukunft – die jährlichen Meilensteine – eine Phantasie
2022
Durch die Pandemie gibt es immer noch keine „großen Eröffnungen“, Liftboy steht ziemlich verloren da. Der Verein UTE e.V. wird 25 Jahre alt. Durch eine Bewerbung zur „Kunst im öffentlichen Raum“ wird die Performance abgesichert.
2023
Die Pandemie ist überwunden – bei der ersten großen Eröffnung kommt es zu einem Konflikt wegen des Caterings, das den Zugang zum Podest erschwert. Leibliche Bedürfnisse siegen gegen Moral, Sekt versus Rampe. Ich versuche zu skandalisieren, ein Artikel in der Mopo erscheint. Aus Kreisen der Menschen mit Behinderung wird Kritik laut, dass ich mich auf ihre Kosten profilieren wolle.
2024
Es stellt sich ein Ulay/Abramovic-Effekt ein: Es tut weh und nervt, nicht nur die Anderen, auch mich. Ob Marina eigentlich manchmal denkt: „Was soll der ganze Scheiss?“ …ist das nicht eventuell ein bisschen hoch gegriffen, mich mit ihr als Performerin zu vergleichen?
2025
Endlich wird der Hublift aufgestellt, der Nutzer auf die Ebene des Lasten-fahrstuhls bringt. DANKE, Thomas! Es wird wieder lustig, ich werde gegrüßt wie Inventar. Die Blicke kann ich manchmal nicht deuten. Es kommen jetzt sogar Rollstuhl- und Rollator-fahrer:innen, die meinen Service nutzen!
2026
Melike Bilir zieht aus dem Galeriehaus aus und eröffnet ihre Galerie in Kassel, rechtzeitig zur Documenta.
2027
„Liftboy“ darf auf der Documenta 100 Tage von 10 bis 18 Uhr einen Hublift an einer Außenstelle bedienen, sogar das Fernsehen kommt. Leider werde ich nicht in der Künstlerliste geführt und erhalte pro Tag nur eine Aufwandsentschädigung von 60 €. Ich nehme dafür unbezahlten Urlaub von meinem bürgerlichen Job und wohne bei Freunden. An Tag 51 kommt es zum Streit, ich lebe auf der Straße, die Uniform leidet. Es gibt weitere Einsätze in der Admiralitätstraße. Wenn Jockel Waitz das Hinterhaus betritt, schaut er demonstrativ an mir vorbei, im letzten Jahr hat er mich noch gegrüßt.
2028
Ein Video, in dem Jonathan Meese mich für meine schöne Uniform lobt und solange den Hitlergruß neben meiner Performance zeigt, bis er abgeführt wird, kommt auf den Index und wird juristisch behandelt. Jonathan behauptet Teil meiner Installation zu sein, was mir ein Bußgeld beschert, da ich zu eitel bin um das richtig zu stellen. Das Argument „Freiheit der Kunst“ zieht nicht mehr.
2029 Verhandlungen mit einem Reeder, der sich für Kunst interessiert, über die Übernahme der Kosten für den Umbau des Lastenfahrstuhles zu einem Personenfahrstuhl verlaufen ergebnislos. Jockel Waitz sitzt jetzt im Rollstuhl, Polyneuropathie. Hin und wieder lässt er sich beim Benutzen des Fahrstuhls assistieren, er grüßt wieder.
2031 vor 10 Jahren habe ich mir vorgenommen während der Performance nicht zu sitzen, das wirkt nicht besonders dynamisch. Das Stehen wird anstrengend, ich nutze eine orthopädische Stehhilfe.
2032 Ich werde 67 Jahre alt. Ich habe in der Erwerbswirtschaft das Rentenalter erreicht. Aus Sentimentalität werde ich noch für ein Jahr „Liftboy“ sitzend ausüben und nur zu Beförderungszwecken aufstehen.
2033 Ich beende die Performance

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