Seit 2019 stehe ich zu fast jedem Galerienrundgang vor dem Lastenfahrstuhl, performe „Liftboy“ und bringe Menschen mit Mobilitätseinschränkungen in die erreichbaren Galerien. 2022 beschrieb ich die Zukunft von Liftboy bis ins Jahr 2033. Ich stehe also häufig vor den Häusern der Admiralitätstraße und merke dabei, dass es auf Dauer langweilig wird – mir und sicher auch den Besuchenden. Ich nutze die Zeit des Stehens um Konzepte zu ersinnen, die neben meinen Skills Penetranz, Konstanz und Monstranz andere Facetten von Liftboy beleuchten.
Seit einiger Zeit versuche ich unter @Liftboy2033 auf Instagram sozialmedial gestaltend aktiv zu werden, mit mäßigem Erfolg und geringer Reichweite. Das Ziel als Liftboy einen blauen Haken zu bekommen belächelt meine Tochter warm und milde. Die Info von Kerstin, dass es die Möglichkeit gibt für wenig Geld die notwendigen Follower zu kaufen tröstet nicht, Liftboy bleibt „real“ (englisch ausgesprochen…). Ein erster Versuch bestand am 4.4.24 darin, das Multiple des Lift-Boy-Logos gegen ein Selfie und einjährige Insta-Freundschaft zu tauschen. Bis ich 10.000 Follower habe (das ist eine kommunizierte Grenze für den blauen Haken) würde das lange dauern. Meist bekommt man Follower für interessanten Content: „Mach was geiles, die Menschen erkennen und verbreiten es! Gehe viral!!! YEAH!!! FUNNY!!!“. Ich stehe vor einem Lastenfahrstuhl und warte auf Menschen mit Mobilitätseinschränkungen um sie zu transportieren, nebenbei mache ich dadurch fehlende Barrierefreiheit sichtbar. Ist das geil, ist das interessant? Ist das „sehr unterhaltsam, spektakulär, geheimnisvoll oder bringt die Menschen zum Lachen“? (Kriterien für virale Aufmerksamkeit, Quelle unten)
Interessanter als die vollzogenen Täusche war für mich das Gefühl, mit dem ich dort stand und beobachtete, wie Menschen auf das unterbreitete Angebot reagierten. Biedere ich mich an? Ist es peinlich, dort um Gefolg- oder Freundschaft zu bitten? Ist es angemessen, für das Multiple ein Jahr Freundschaft zu verlangen? Ist das viel oder wenig? Wie ließe sich das überhaupt überprüfen und gegebenenfalls einfordern? Hätte es Verträge gebraucht, auf denen mein Gegenüber die Freundschaft per Unterschrift bestätigt. Was, wenn sie dann entfolgen oder kritisch kommentieren? Der Gang zum Gericht!
Noch intensiver beschäftigte mich die Frage danach, wofür steht Liftboy? Hier vor dem Fahrstuhl ist das noch relativ einfach zu beantworten, ich mache auf fehlende Barrierefreiheit aufmerksam und unterstütze bei der Überwindung.
Wofür stehe ich? Ist der aufrecht stehende Liftboy der erhobene Zeigefinger wegen fehlender Barrierefreiheit? Hier und anderswo?
*Viral gehen – Verbreitung wie ein Virus
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Die Redewendung „viral gehen“ kam Mitte der 1990er Jahre mit dem World Wide Web und den sozialen Medien auf. Das Wort viral geht dabei auf den medizinischen Begriff Virus zurück und steht für etwas, das sich schnell verbreitet. Also ähnlich wie eine Viruserkrankung von Mensch zu Mensch.
Gemeint ist aber bei der Redewendung, dass ein Bild, ein Artikel oder ein Videoclip besonders schnell durch Kontakte in den sozialen Medien weiter gegeben wird. Es wird von Tausenden angeklickt und geteilt.
Das geschah zu Anfang des Internets meist noch über E-Mail. Inzwischen wird das über soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, YouTube, TikTok oder auch über WhatsApp undInstagram geteilt.
Ein Videoclip, der viral geht, verbreitet sich im Internet explosionsartig und eigentlich ohne größere Einwirkung des Video-Urhebers bzw. -erstellers. Der Inhalt des viralen Videos ist zum Beispiel sehr unterhaltsam, spektakulär, geheimnisvoll oder bringt die Menschen zum Lachen.
Die extrem schnelle Verbreitung von bestimmten Videos, Bildern oder Artikeln lässt sich auch auf sehr aktive Influencer zurückführen. Haben diese in sozialen Netzwerken, im eigenen Blog und auf Videoplattformen viele Follower, dann erreichen sie auch viele Menschen mit nur einem Post.
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